Andreas EntgelmeierTechnical Sales Mitarbeiter bei IBM. 2000 begann er bei Rational,bevor das Unternehmen 2003 durch IBM übernommen wurde.Seine thematischen Schwerpunkte sind Anforderungsmanage-ment, Design, Implementierung und Projektmanagement. Durchdiese fachübergreifende Ausrichtung waren schon früh Berüh-rungspunkte mit dem Bereich CALM vorhanden. Sein Interessean CALM veranlasste ihn, sich eingehender mit der Thematik zubeschäftigen. Als nationaler Leader der Community of Practice ofALM übernahm Entgelmeier die Führung eines Zusammenschlusses technisch orientier-ter Personen in Bezug auf CALM.
IBMIBM (International Business Machines Corporation) ist ein US amerikanisches IT Unterneh-men mit Hauptsitz in Armonk (New York) und beschäftigt weltweit insgesamt mehr als300.000 Mitarbeiter. IBM ist eines der größten Unternehmen für den Bereich Hardware,Software und Services und gilt als zweitgrößter Softwarehersteller der Welt.
Wo sehen Sie die Unterschiede zwischen ALM und CALM?Hauptunterschiede zwischen CALM und ALM entstanden aus der historischen Entwicklung.Das damals noch eigenständige Unternehmen „Rational“ war der erste Anbieter einer Appli-cation Lifecycle Tool-Suite. Hauptanforderung war, Punkt zu Punkt Verbindungen zwischenvorhandenen Tools zu schaffen, um einen Informationsfluss über den gesamten Entwick-lungsprozess zu gewährleisten. Die Bedeutung von „Kollaboration“ istin den letzten Jahren immer wichtiger für den Application Lifecycle geworden. Ursprüng-lich kommt Kollaboration von den agilen bzw. lean Methoden. Agil und lean werdenim einem Zuge genannt, da die als schwergewichtig empfundenen Prozesse – wie z. B.der Rational Unified Process- durch Agilität „verschlankt“ werden sollen. Realisiert wer-den kann dies durch Informationsbeschaffung via Kollaboration. Es geht weniger darum,Informationen über Dokumentation aufzunehmen und festzuhalten, sondern über denproduzierten Code bzw. durch sämtliche am Softwareentwicklungsprozess ausgerichtetenProzesse einen erhöhten Gehalt an Information zu generieren. Mittels der IBM CALMTools lässt sich durch Chats, Kommentierfunktionen, individuell anpassbare Dashboardsmit Notifications und Reviewer & Approver Prozesse ein erhöhter Grad an Transparenz inden Prozessen erreichen. Diese Transparenz ist die Basis dafür, dass Softwareentwicklungs-prozesse vollständig planbar sind. Planbarkeit, Schlankheit, Agilität und Transparenz sind alsodie wichtigsten Erweiterungen gegenüber ALM. Der heutige Trend geht in die Richtung,„Application“ aus CALM herauszunehmen. Collaborative Lifecycle Management soll nichtnur die Entwicklung von Anwendungen fokussieren, sondern auch auf Systeme undPlattformen anwendbar sein. Ein Synonym für CLM ist auch ALM 2.0.Welchen Einfluss kann CALM auf das tägliche Geschäft haben?Zentraler Bestandteil von CALM sind nicht mehr Dokumentation oder verwendete Tools.Viel mehr rücken Prozesse und Menschen in den Vordergrund. Softwareentwicklung istwie ein Geschäftsprozess zu behandeln – ähnlich wie ein Einkaufs- oder Verkaufsprozess.Bisher ließ sich dies nur schwierig realisieren, da der Entwicklungsprozess wenige Kennzah-len lieferte. Aus diesem Grund verliefen größere Entwicklungsprojekte öfters „im Sand“.Die durch CALM geschaffene Transparenz macht die Softwareentwicklung plan- undsteuerbar. Weiterhin werden durch CALM einfache Prozesse automatisiert. Dies führt wie-derum zu kürzeren Entwicklungszyklen. Weil die so hochgradig automatisierte Entwicklungan industrielle Fließbandfertigung erinnert, wird hier von Softwarefactory gesprochen.Hieraus ergeben sich Vor- und Nachteile. Zum einen möchten Entwickler und Projektleiternicht vollkommen transparent gegenüber Vorgesetzten sein. Andererseits wird die posi-tive Arbeit der Entwickler eher sichtbar und es entsteht eine Argumentationsbasis, warummanche Prozesse länger als geplant dauern. Wichtig ist, dass sich die Unternehmenskulturanpasst. Schlechte Nachrichten sind nicht als Kritik, sondern als Chance zur Verbesserunganzusehen.Welcher Industriezweig eignet sich am besten, CALM zu implementieren?Eine Implementierung von CALM ist grundsätzlich für alle Industriebereiche geeignet. Diebesten Voraussetzungen bieten Finanz- und Versicherungssektor. Hier wurde sich bereitsfrühzeitig stark mit Prozessen auseinandergesetzt und dokumentierte Softwareentwicklungeingeführt. Eine Umsetzung von CALM ist nicht trivial. Gerade große Unternehmen in diesenBranchen besitzen große, schwerfällige Prozesse, die in CALM übertragen werden müssen.Wie schätzen Sie die Bedeutung von CALM für IT-Abteilungen ein?Noch vor kurzem war ein Hauptziel der Unternehmensstrategie, die IT-Kosten soweit wiemöglich zu reduzieren. Heute geht der Trend in die Richtung, Innovationen mittels IT zuschaffen. Durch den Innovationsdruck erhofft man sich kürzere Releasezeiten, eine reduzier-te Time-To-Market und die Entwicklung von Anwendungen für neue Technologien. CALMwird von den Unternehmen als Mittel zur Zielerreichung gesehen. Hauptgrund für ein gro-ßes Telekommunikationsunternehmen war z. B. die Reduktion der Releasezeiten von 13Monaten auf drei Monate.Wie lange dauert die Einführung eines solchen Projekts?Die Dauer für die Einführung hängt von verschiedenen Variablen ab. Unternehmensgrößesowie Reife der Prozesse sind zentrale Aspekte, die es zu analysieren gilt. Teilweise erschwerenZusammenschlüsse von Unternehmen den Implementierungsprozess, da eine heterogeneIT Landschaft die Basis bildet. Größe der Entwicklungsteams sowie deren geographischeVerteilung sind von hoher Bedeutung. Die Implementierung bei großen Unternehmen, diebisher klassische Entwicklungsprozesse verwenden, kann mehr als zwei Jahre dauern.Welchen Unternehmen empfehlen Sie die Einführung von CALM?Die Relevanz für die Einführung von CALM steigt mit Größe der Projekte und Komplexi-tät des Unternehmens. Ein Projekt mit zehn Entwicklern an einem Standort kann Softwareauch ohne CALM erfolgreich entwickeln, während in einem Projekt mit 500 geogra-phisch verteilten Beteiligten die Einführung Sinn macht.Ebenso eignet sich eine Einführung in Unternehmen, die gesetzlichen Richtlinienunterliegen. Der medizinische Sektor, der den Regularien der Food & Drug Association unter-liegt, ist ein Beispiel. Hier müssen sämtliche Entwicklungen nachverfolgbar sein. Ein weite-res Beispiel ist ein Versicherungsunternehmen, das die eigenen Prozesse mit CMMI misst.Durch CALM Tools konnten sämtliche Schritte direkt dokumentiert werden; der notwendigeTracebilityaufwand wurde minimiert.Was sind die größten Herausforderungen bei der Implementierung von CALM?Der größte Vorteil von CALM, die Projekttransparenz, liefert auch gleichzeitig das größte Dis-kussionspotenzial. Aus Sicht des Betriebsrates sind personenbezogene Daten zu schützen.Datenschutz ist ein Punkt, den man sensibel beim Kunden ansprechen muss. Eine weitereHerausforderung sind die Prozesse und damit verbundene Veränderungen für die Mitarbei-ter. Durch den „Organizational Change“ sind die Mitarbeiter gezwungen, andere Abläufeund Prozesse zu beachten. Dies kann gerade am Anfang zu Widerständen führen. Als eben-so große Herausforderung wird die Integration angesehen. Die Rational Tools sind in eine meistheterogen gewachsene IT Landschaft zu integrieren. Beim Kunden als Standard spezifizierteTools sind mit CALM Tools zu verbinden, auch wenn diese nicht die OSLC Schnittstelle be-dienen. Eine Lösung ist die Einbeziehung eines möglichen Business-Partners wie z. B. Tasktop.Über Hubs können einzelne Tools zusammengeschlossen werden. Vision ist, OSLC als Stan-dard in den nächsten Jahren zu etablieren.Wie wichtig ist ein positives Commitment der Kunden gegenüber der Einführung von CALM?Fast immer handelt es sich nicht um direkten Widerstand gegenüber neuen Tools. Die größ-ten Hürden sind die neuen Prozesse zu leben und Kommunikationsschnittstellen zu anderenKollegen zu verwenden. Wichtig ist es, dass die Einführung des Toolings nicht top downentschieden wird. Die Mitarbeiter fühlen sich schnell vom Management überrumpelt. Diesführt zu erhöhtem Widerstand. Um ein optimales Umfeld zu schaffen, sollten immer alleInteressensgruppen überzeugt sein – kein einfaches Unterfangen.Können Sie uns ein Beispiel einer erfolgreichen Implementierung geben?Ja, z. B. bei der Caceis Bank. Ziel der Caceis Bankengruppe war eine effektivere und effi-zientere Entwicklung durch Tooling und Kollaboration. Als Resultat mehrerer Akquisitionenlagen die Herausforderungen in der Verteilung der Entwicklungsteams über drei Standor-te (Deutschland, Frankreich, Luxemburg) und dem Einsatz verschiedener Plattformen undEntwicklungssprachen. Durch die Einführung von CALM Tools konnten nicht nur die Kom-munikation verbessert, sondern auch die Entwicklungszyklen verkürzt werden.Wie sehen die Pläne für CALM aus?CALM steht erst am Anfang. Mission ist, vermehrt Integrationsmöglichkeiten zu schaffen.Auch das Reporting soll ausgebaut werden; in ersten Ansätzen ist es möglich, Informationenüber Domänen hinweg zu filtern und zu verknüpfen. So kann ein Testmanager Informa-tionen zu bisherigen Tests einsehen und erhält Einblick in bereits getestete Anforderungen.Viel Entwicklungsaufwand wird investiert, um mächtigere und tiefergehende, Reports zu er-möglichen und bereitzustellen. Der Betrieb der Software soll in den Lifecycle aufgenommenwerden, um z. B. über eine Cloudinfrastruktur dem Anwender eine CALM Umgebung zurVerfügung zu stellen. Die Entwicklung mobiler Anwendungen mit CALM abzudecken istebenso angedacht.