Dr. Karsten WeronekSeit 2001 Leiter Corporate Information Management der Fraport AGmit den Schwerpunktthemen IT Strategie, IT Governance, EnterpriseArchitecture Management, Informationssicherheit sowie IT Portfo-liomanagement. Zuvor arbeitete er für Accenture in großen IT- undOrganisationsprojekten sowie als Leiter IT Betrieb im In- und Aus-land. Er studierte Physik in Konstanz und Stuttgart und schrieb seineDissertation am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stutt-gart. Er ist außerdem Lehrbeauftragter für Wirtschaftsinformatik ander Fachhochschule Frankfurt/Main.
Fraport AGDie Fraport AG ist die Betreiberin und Eigentümerin des Frankfurter Flughafens. FRA,das internationale Kürzel, ist eine eigene Stadt mit einer Geländegröße von ca. 25 km2,die neben umfangreichen Service Einrichtungen für den Reisenden auch Konferenz- undUnterhaltungsmöglichkeiten sowie Shopping bietet. Des Weiteren ist der Fraport Konzernmit aktuell rund 22.000 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in Hessen und einesder führenden Unternehmen in der Airport-Branche. Mit über 55 Millionen Fluggästenund über 2 Millionen Tonnen Fracht im Jahre 2011 ist der Flughafen Frankfurt/Main unterden Top Ten der Welt.
Setzen Sie heute schon Smartphones in Ihrem Unternehmen für betriebliche Belange ein?Seit 2005 nutzt die Fraport AG Blackberrys in den verschiedenen Geräteva-rianten. Einige IT Tochtergesellschaften nutzen Smartphones anderer Herstellenund berichten über Vor- und Nachteile. Im Moment sind wir in der Testphase, in-wieweit sich neue Geräte-Generationen für den Einsatz in unserem Unternehmeneignen.Hat dies zu spürbaren Produktivitätssteigerungen bei den Mitarbeitern geführt?Viele haben eine Steigerung ihrer Produktivität verspürt, andere aber auch nicht.Ich glaube, das hängt von drei Aspektenab:Wenn ich ein solches Gerät haben möchte, spüre ich natürlich einen entsprechen-den Erbauungsnutzen und stelle diesen als Produktivitätssteigerung dar. Zweitenshängt es von den Aufgaben des Mitarbeiters ab. Hier unterscheidet sich ein Sach-bearbeiter in der Zentrale, der täglich im SAP bucht, von einem Vertriebsmitarbei-ter, der europaweit unterwegs ist. Der dritte Aspekt bezieht sich auf die Arbeits-gewohnheiten des einzelnen Mitarbeiters. Ist dieser gewohnt, mit zehn Fingern flüs-sig auf einer Tastatur zu schreiben, wird er sich mit der Bedienung eines Smart-phones schwer tun. Schreibt er nur mit zwei Fingern, so wird das Smartphoneeine Erleichterung sein und zu schnellerem Handeln und Agieren führen.Eine wirkliche Produktivitätssteigerung wird dann erzielt, wenn der Chef seine Auf-gaben (z. B. Terminvereinbarungen) allein und dadurch schneller ohne eine Interaktionseiner Mitarbeitenden erledigen kann. Im Großen und Ganzen ist daher die Einschät-zung einer Produktivitätssteigerung durch Smartphones sowohl sehr situativ als auchsehr subjektiv.Wie beurteilen Sie den momentan stattfindenden Hype um BYOD?Durch die neue Flexibilität mittels Smartphones ist dieser Hype im Moment sehr,sehr groß. BYOD steckt meines Erachtens noch in der Experimentierphase mit Höhenund Tiefen. Erst wenn die Innovationszyklen der Hersteller langsamer werden undsich eine Standardisierung im Sinne der Kompatibilität einstellt, wird der Hype ab-flauen. Schaut man sich den Gartner Hype Cycle an, wird klar, dass Smartphones undBYOD ihre Anwendungsbereiche finden, in denen sie langfristig sinnvoll eingesetztwerden können.Sehen Sie Probleme hinsichtlich der Sicherheit von Smartphones?Warum soll ein Smartphone mehr oder weniger sicher sein als ein PC? Gleichwohl,durch die momentan sehr schnellen Innovationszyklen und die Uneinheitlichkeit derSysteme ist der Aufwand sehr hoch, um ein Gerät so weit sicher zu gestalten, dass es dieSicherheits- und Compliance-Anforderungen für einen Unternehmenseinsatz erfüllt.Das bedeutet, dass man sich zunächst an einen Gerätetyp binden und über einen Zeit-raum hinweg nutzen muss. Die Änderungen bei einem neuen Gerät sind meist so groß,dass man das gesamte Sicherheitsprogramm noch einmal komplett durchlaufen werdenmuss.Wie schätzen Sie den Datenschutz in Bezug auf privat und dienstlich genutzte Geräte ein?Das Bundesdatenschutzgesetz erlaubt mittlerweile die Speicherung und Verarbeitungvon Telefonnummern, Kontakte etc. zur persönlichen Nutzung. Spannend wird es,wenn eine fremde Applikation diese personenbezogenen Daten auf einem Server imAusland speichert. Dies ist nur im Rahmen des BDSG zulässig und hier sind die Hürdenhoch. Handelt es sich um personenbezogene Daten aus dem Unternehmensumfeld(Kunden, Lieferanten, Partner etc.), wird es schwierig, da hier mit Bußgeldern bis zu50.000 Euro zu rechnen ist. Um daher bestimmte Sicherheitsfeatures zu garantieren,müssen Firmen sich Mechanismen überlegen, mit denen sie sich gegen Datenverlus-te oder -mißbräuche bei Verlust eines mobilen Gerätes schützen können. Haben dieFirmendaten einen geringen Schutzbedarf, ist das kein Problem. Liegen aber Kun-dendaten auf dem Gerät, muss z. B. ein Mechanismus etabliert werden, mit demsich das Gerät remote löschen lässt. Sind jedoch auch private Daten auf dem Gerät,haben Sie unter Umständen Probleme mit dem Mitarbeiter, der eine Löschung seinerprivaten Daten nicht toleriert. Dies kann beim Arbeitsgericht enden. Man sieht an-hand dieser wenigen Beispiele, dass die Sachlage wesentlich komplexer ist, als imersten Anschein.Stellt das Thema in Ihren Augen eine Möglichkeit zur Kostenreduktion dar?Im Sinne der „Total Cost of Ownership“ sehe ich keine nachhaltige Kostenreduktion.Man spart zwar die Anschaffungskosten. Diese werden aber meines Erachtens durchdie erhöhten Supportkosten schnell aufgewogen. Ein zentraler Support ist durch dieGerätevielfalt nicht günstig. Durch User-Self-Support verliert man gerade die Pro-duktivität, die man durch das Smartphone gewinnt. Funktioniert das Gerät nicht, istder Mitarbeiter in dieser Zeit nicht produktiv. Terminalserverlösungen hingegen habendafür hohe Hard- und Softwarekosten und funktionieren nur online.Was sind die Herausforderungen für Unternehmen, die BYOD einführen wollen?In meinen Augen gibt es hier drei wesentliche Herausforderungen: IT Governance,Technik und Support sowie Compliance. Im Rahmen der IT Governance muss mansich zunächst über ein User-Portfolio Gedanken machen, d. h. welche Anwender-gruppen für das BYOD Konzept infrage kommen. Danach muss man sich überle-gen, welche Smartphonetypen zugelassen sind und welche nicht. Alsletztes muss man das App-Portfolio festlegen und verwalten. Hier ist ein ge-eigneter Mittelweg zu finden, da eine große Anzahl von Apps ein Sicherheitsrisiko
darstellen kann und schwer zu supporten ist, andererseits aber eine zu geringe Anzahl
an Apps die Vorteile des Konzeptes erheblich reduziert. Bei den technischen Themen muss mansich zwischen verschiedenen Konzepten entscheiden. Einem Laissez-Faire Konzept,einer Trennung privater und dienstlicher Daten, dem Nutzen virtueller Lösungenoder einer strikten Vorgabe mit „Dos und Don`ts“. Bei dem Supportkonzept gibt esim Grunde zwei Ansätze. Man kann den Mitarbeiter den Support selbst organisierenlassen, was zum Teil kontraproduktiv wäre, da der Mitarbeiter nicht an seinem Smart-phone basteln, sondern arbeiten soll. Wenn die IT Abteilung den Support übernimmt,
stellt die Komplexität der Endgeräte und Apps die Herausforderung dar. Ein dritterAnsatz wäre das Outsourcing des Supports, was erfahrungsgemäß mittelfristig zu hö-heren Kosten führt.Im Themengebiet der Compliance stehen Datenschutz und Informationssicher-heit an vorderster Stelle, aber auch Arbeitsrecht (wer zahlt was, BetrVG etc.) undPersönlichkeitsrechte sind zu beachten.Was könnte BYOD für die Art und Weise, wie zukünftig gearbeitet wird, bedeuten?Die Aussage „Es ist für Mitarbeiter interessant, die eigenen Geräte auch mit, imund für das Unternehmen zu nutzen“ ist in meinen Augen nur ein Symptom. Siehtman sich die Arbeitsstatistiken an, ist die Zahl der freiberuflichen „Knowledge Worker“
ständig steigend und die der Festangestellten sinkend. Auf kurz oder lang – so meine Meinung– werden sich die Arbeitnehmer, die erst in einer individuellen, persönlichen Arbeitsumgebung
produktiv sein können und dies selbst gestalten möchten, als Freelancer engagieren.Mitarbeiter, die im Unternehmen Sachbearbeiter Tätigkeiten ausführen, oderSpezialsysteme als Arbeitsmittel benötigen, werden als Angestellte diese weiterhin vomArbeitgeber gestellt bekommen. Darüber hinaus glaube ich, dass sichUnternehmen mittelfristig nicht am Markt halten können, wenn sie aufgrund des vor-herrschenden Hypes die Datenschutz- und Informationssicherheitsthemen missachten,weil sie dadurch früher oder später ihren Wettbewerbsvorteil verlieren werden.