Der Begriff Semantic Web wird zunehmend im Kontext des Internet genannt.Forschung und Entwicklung geeigneter Methoden zur Umsetzung des Semantic Webs schreiten derzeit stark voran. Ziel des Semantic Web ist es, die im Internet auffindbaren Informationen in ihrer Bedeutung dem Computer verständlich zu machen. Dadurch soll sich der Suchaufwand für die Nutzer verringern und die Qualität der Suchergebnisse verbessern.Dieser Beitrag stellt Grundlagen des Semantic Webs dar und geht auf aktuelle sowie zukünftige Anwendungsmöglichkeiten ein. Dabei werden nicht nur Potenziale, sondern auch Risiken betrachtet.
Bereits im Jahr 2001 beschrieb Tim Berners-Lee seine Vorstellungen des Semantic Web (Ber-ners-Lee, 2001). Das Semantic Web ist demzufolge lediglich eine Erweiterung des aktuellen Internets; so soll den Informationen im Internet eine wohldefinierte Bedeutung zukommen, mit der Menschen und Computern eine bessere Zusammenarbeit ermöglicht wird (Berners-Lee, 2001). Durch die ständig wachsende Menge an Informationen, die das Internet bietet, wird es notwendig, dem Nutzer Möglichkeiten zu bieten, auf diese sinnvoll zuzugreifen. Hierfür müssen Rechner in die Lage versetzt werden, auch die Bedeutung der Informationen zu interpretieren, um diese entsprechend zu qualifizieren (Pellegrini & Blumauer, 2006).Aktuell besteht das Problem des Internets darin, dass Informationen zwar prinzipiell existie-ren, jedoch in der Fülle der vorhandenen Informationen nur äußerst schwer zu identifizie-ren sind. Internetsuchen basieren aktuell auf komplexen Suchalgorithmen, deren Aufgabe es ist, bestimmte Zeichenketten in der Masse an Informationen zu finden.Der Grundgedanke des semantischen Webs ist, eine Suche auf Basis der Bedeutung und keine stichwortbasierte Suche durchzuführen. Häufig findet man Äußerungen, dass die Grundidee des Semantic Web darin bestehe, die Bedeutung von Informationen für Ma-schinen „verständlich“ zu machen (Hitzler, Krötzsch, Rudolph, & Sure, 2008). Das Ziel des Semantic Web ist rudimentärer: „Finde Wege und Methoden, Informationen so zu reprä-sentieren, dass Maschinen damit in einer Art und Weise umgehen können, die aus mensch-licher Sicht nützlich und sinnvoll erscheint“ (Hitzler, Krötzsch, Rudolph & Sure, 2008).
Das Vorhandensein des Semantic Web ist für den typischen Internetnutzer – Anwender oh-ne großes technisches Know-how – kaum erkennbar, da die Technologie im Hintergrund arbeitet. Viele Suchmaschinenanbieter forschen und entwickeln aktuell an semantischen Technologien, um diese in ihre Suchalgorithmen zu implementieren. Suchmaschinenmarkt-führer Google plant die Implementierung einer semantischen Suche, die zusammenhän-gende Ergebnisse liefern soll. Dieser vollständige Umbau wird jedoch noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen (Efrati, 2012).Um Informationen für eine semantische Suche nutzbar zu machen, sind einerseits ein-heitliche und offene Standards für die semantische Beschreibung von Informationen not-wendig. Die Schaffung solcher Standards wird vom World Wide Web Consortium (W3C) vorangetrieben, das auch schon grundlegende Standards für die Informationsspezifika-tionsbeschreibung erarbeitet hat. Dies sind XML, RDF(S) und OWL. Bei XML handelt es sich nicht um eine speziell für das Semantic Web entwickelte Sprache. RDF(S) und OWL hingegen sind speziell entwickelte Ontologiesprachen für das Semantic Web. Ontologien dienen der Darstellung komplexer Wissensbeziehungen, die Informationen über logische Beziehungen miteinander verknüpfen. (Pellegrini & Blumauer, 2006) Vereinfacht gesagt, Ontologien sind Konstrukte, um Wissen über ein bestimmtes Gebiet zu repräsentieren, auszutauschen und wiederzuverwenden – sowohl durch Mensch als auch Computer (Fen-sel, 2001).Die Fähigkeit zur Beschreibung von Informationen gewinnt von Tag zu Tag an Bedeu-tung, da täglich Unmengen neuer, mehr oder minder relevanter Informationen im Web auftauchen und zur Verfügung stehen. Für den Anwender wird es immer schwieriger zu entscheiden, welche Daten für ihn wesentlich sind. Schon heute ist es für einen Internet-nutzer nur noch selten möglich, alle Suchergebnisse zu einer Anfrage auf ihre Relevanz zu prüfen.
Einige Suchmaschinenhersteller arbeiten bereits an der Implementierung semantischer Suchmöglichkeiten in ihre Suchalgorithmen. Jedoch sind diese nicht die primären Treiber des Semantic Web; dadurch wird es lediglich in der Öffentlichkeit bekannt. In Unterneh-men, die wissensbasierte Produkte z. B. Versicherungen erstellen und verkaufen, erhält das Semantic Web immer größere Bedeutung, um dort beispielsweise semantikbasiertes Wissensmanagement zu betreiben (Hengartner, 2010). Im Unternehmensumfeld gibt es bereits einige Anwendungen, die es ermöglichen, Infor-mationen und Wissen in Unternehmen über Ontologien so zu beschreiben, um diese sinnvoll für den Anwender nutzbar zu machen. So gibt es schon Implementierungen, die es Unterneh-men ermöglichen, sinnvoll Informationen finden und nutzen zu können. Hierzu wurde beispiel-weise eine semantische Suche zur Unterstützung des Schadenbearbeitungsprozesses bei einem Schweizer Versicherer realisiert (Versicherungswirtschaft, 2006). Um die vorhandenen Infor-mationen sinnvoll zu strukturieren, ist es erforderlich, dass diese durch Mitarbeiter mit Schlag-worten versehen werden. Diese Schlagworte werden dann mithilfe der Ontologie-Software in Verbindung gesetzt. So können Begriffe und Schlagworte logisch miteinander verknüpft wer-den. Voraussetzung für das Funktionieren dieses Systems ist jedoch ein offener Umgang mit vorhandenen Informationen. Nutzer müssen bereit sein, Wissen zu teilen, um die bestmögliche Qualität an Informationen bereitstellen zu können (Versicherungswirtschaft, 2006).Aber auch das Internet bietet heute erste semantische Funktionalitäten an. Google hat in seinem Angebot erste kleinere semantische Funktionen. So wird einem Nutzer beispiels-weise mit der Eingabe eines Ortes direkt das aktuelle Wetter sowie das der nächsten fünf Tage angezeigt. Dies fällt dem gewöhnlichen Anwender selten auf, doch genau diese An-passungen stellen die ersten Schritte der Internetunternehmen von der Informations- zur Wissensgesellschaft dar.
Das wohl größte Potenzial des Semantic Web ist die Ausbreitung im WWW. Viele Such-anfragen ohne konkrete Stichwortnennung verlaufen heute noch ins Leere. Sucht man z. B. „Überwinder der Apartheid“, findet sich Nelson Mandela weder bei Wikipedia noch bei Google unter den Top3-Ergebnissen. Sind Suchmaschinen erst einmal in der Lage, Informa-tionen semantisch zu verknüpfen, wird dies jedem Internetnutzer zugutekommen. Gerade hier gibt es große Potenziale hinsichtlich Zeit- und Kosteneffizienz. Aber auch unternehmensintern wird es immer wichtiger, Daten sinnvoll miteinander verknüpfen zu können. Gerade in informationslastigen Bereichen der Dienstleistungsbran-che ist von großen Potenzialen auszugehen, da sich mit semantischen Implementierungen große Qualitätssteigerungen erzielen lassen.Weiteres Potenzial steckt im Marketing. Mit Hilfe von Semantik werden Dienstleister in der Lage sein, Endverbrauchern Werbung und Produkte anbieten zu können, die genau ihrem Bedarf entsprechen. Darüber hinaus werden sich viele Anwendungsmöglichkeiten mit entsprechenden Potenzialen ergeben, die sich heute noch nicht vorstellen lassen.
Mit den zunehmenden Möglichkeiten der Vernetzung von Informationen mit der Hinter-legung wird es immer einfacher, z. B. komplette Persönlichkeitsprofile von Nutzern zu er-stellen. Hier ist der Datenschutz noch deutlicher als bisher gefordert (Mika, 2007). Ein Risiko hinsichtlich der Verbreitung der Technologie ist die Komplexität. Denn eine Ausweitung auf das Public Internet scheint nur wahrscheinlich, wenn auch Endanwender, die einen Großteil des Inhalts liefern, in die Lage versetzt werden, Informationen mit den entsprechenden Ontologien zu versehen. Idealerweise müsste dieses quasi automatisch erfolgen (Pellegrini & Blumauer, 2006).Bei der Etablierung des Semantic Webs muss ebenfalls der zu erbringende Mehrauf-wand für jeden einzelnen Informationsanbieter mit in Betracht gezogen werden. Denn es müssen theoretisch jegliche Informationen, die das Internet bietet, mithilfe semantischer Beschreibungssprachen modelliert werden, so dass Internetsuchen und Anwendungen die-se nutzen können. Aus heutiger Sicht ist der Nutzen, den solche Informationen bieten können, für Endanwender noch schwer greifbar. Zudem muss beachtet werden, dass es sich bei der Formulierung derartiger ontologi-scher Modelle um hochkomplexe Gebilde handelt. Das wiederum bedeutet, dass es trotz guter und intuitiver Anwendungen – sollte es diese geben – wohl eher Experten vorbehal-ten bleibt, diese Modelle zu erstellen. Dies wiederum könnte bedeuten, dass weiterhin täg-lich vielmehr Daten im Internet zur Verfügung gestellt werden, als sich jemals semantisch abbilden lassen.
Das Semantic Web ist eine faszinierende Technologie, die sich abseits der großen IT Hype-Themen im proprietären Bereich schon zur Marktreife entwickelt hat. Eine Umsetzung im Rahmen des WWW würde sich wohl nahezu revolutionär auf die Bereiche des Wissens- und Informationsmanagements auswirken. Dies unterstreicht die Bedeutung der Technologie insbesondere hinsichtlich der wachsenden Bedeutung von Informationen in unserer Gesellschaft.Jedoch dürfen bei aller Faszination um das Semantic Web nicht die Risiken außer Achtgelassen werden, die diese Erweiterung des Web 2.0 mit sich bringen wird. Datenschützer werden sich aller Voraussicht nach auch hier geeignete Methoden undSchutzmechanismen überlegen müssen, um die persönlichen Rechte jedes Einzelnen zu schützen.Aber auch die Einschränkung auf wenige modellierende Experten birgt Risiken, da so wenige kleine Gruppen von Personen sehr große Definitionsmacht im Internet erhalten.Abschließend sollte es aber im Sinne der Internetnutzer sein, die Technologie, die hinter dem „Semantic Web“ steckt, voranzubringen, denn es steht außer Frage, dass das Semantic Web kommen wird. Es ist lediglich offen, in welcher Form es realisiert wird. Oder wie Berners-Lee und Kollegen schon 2003 bemerkten: „Das Aufregendste am semanti-schen Web ist nicht das, was wir uns alles damit vorstellen können, sondern das, was wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können.“ (Zschunke, 2003)
Antoniou, G., & Van Harmelen, F. (2008). A Semantic Web Primer (Cooperative Information Systems). The MIT Press.Berners-Lee, T., Hendler, J., & Lassila, O. (2001). The Semantic Web. Scientific American, S. 3,4.Efrati, A. (2012). The Wall Street Journal. Abgerufen am 15. April 2012 von The Wall Street Journal: http://online.wsj.com/article/SB10001424052702304459804577281842851136290.html?mod=rss_TechnologyFensel, D. (2001). Ontologies: A Silver Bullet for Knowledge Management and Electronic Commerce . Springer-Verlag.Fürnkranz, J. (2005). Web Mining. Berlin, Heidelberg: Springer.Hengartner, U., & Meier, A. (2010). Web 3.0 & Semantic Web: HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik (Heft 271). dpunkt Verlag.Hitzler, P., Krötzsch, M., Rudolph, S., & Sure, Y. (2008). Semantic Web: Grundlagen. Berlin Heidelberg: Springer.Mika, P. (2007). Social Networks and the Semantic Web (Semantic Web and Beyond). Springer.Mintert, S., & Spanneberg, B. (2007). Semantic Web. Semantische Erweiterung für MediaWiki. iX – Magazin für professionelle Informationstechnik, S. 102-105.Pellegrini, T., & Blumauer, A. (2006). Semantic Web, Wege zur vernetzten Wissensgesellschaft. Berlin Heidelberg: Springer.Versicherungswirtschaft (2006), 1. 7. 2006, Verlag Versicherungswirtschaft Zschunke, P. (2003). Semantisches Web – Aufräumen im Datenchaos. Abgerufen am 15. April 2012 von Spiegel Online: http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,253290,00.html
Daniel Becker
Softwareentwickler bei der R+V Versicherung AG. Ist seit Juni 2010 für die Softwareweiterentwicklung im Bereich Banken/Kredit-Versicherungen verantwortlich. Studiert Wirtschaftsinformatik an der FH Mainz.
Christopher Gasteier
Product/Solution Developer bei der Fraport AG. Seit 2008 für den Betrieb des Softwarelifecyclemanagements im Frontend am Flughafen-Campus verantwortlich. Studiert Wirtschaftsinformatik an der FH Mainz.
Dirk Wenning
Junior Engineer bei der BASF IT Services GmbH. Seit Januar 2010 für die Themen Desktopvirtualisierung, Client-Betriebssysteme und Hardware mitverantwortlich. Studiert Wirtschaftsinformatik an der FH Mainz.