Ist die IT Branche besonders von Burnout betroffen und wenn ja, welcheMitarbeiter haben das größte Risiko, daran zu erkranken?Diese und weitere Fragen sollen in diesem Beitrag näher betrachtet undbeantwortet werden. Zunächst werden die medizinische Definition bzw. die Ein-ordnung von Burnout in die allgemeine medizinische Klassifikation von Krankhei-ten erläutert. Näher erörtert werden neben den Risikogruppen in der IT Branchevor allem die Auswirkungen auf Gesellschaft und Unternehmen. Des Weiteren werden Präventions- und Reintegrationsmaßnahmen von Unternehmen analysiert. DerAusblick zeigt, wie das Thema Burnout in der IT zukünftig behandelt werden könnte.
Täglich berichten Medien über neue Trends der Informationstechnologie. Dabei werden jedochmeist nur technologische Neuheiten abgehandelt, während negative gesundheitliche Trendsin der IT Branche wie z. B. Burnout in den Hintergrund geraten. Aus einer Studie des wissen-schaftlichen Instituts der AOK (WidO) geht hervor, dass bereits jeder zehnte gemeldete Krank-heitstag auf ein psychisches Leiden zurückzuführen ist (Meyer, 2012). In der IT Branche wirddie Ressource „Mensch“ besonders beansprucht. Die IT Welt befindet sich in einem ständigenWandel, die Arbeitsabläufe werden schneller, die Kommunikationswege kürzer und der Ter-mindruck steigt; auch die Globalisierung trägt ihren Teil dazu bei. Kein Fortschritt bedeutetRückschritt, Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes und dies in Zeiten einer Wirtschaftskrise. Dieeinzige Komponente im Arbeitsalltag, die nicht maßgeblich optimiert werden kann, ist jedochder Mensch, der immer mehr die Folgen dieser Entwicklung zu spüren bekommt.Ziel dieses Beitrags ist es, das Burnout-Syndrom unter diesen Aspekten näher zu be-leuchten, aktuelle Statistiken zu untersuchen sowie erkennbare Trends zu erkennen undsomit eine Prognose für die Zukunft zu entwerfen.Zunächst wird eine Arbeitsdefinition von Burnout festgelegt, anschließend werden dieSchwerpunkte „Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitsumfeld“, „Prävention“sowie eine Untersuchung, welche Personengruppen in der IT Branche besonders betroffensind, mit aktuellen Statistiken erörtert. Abschließend erfolgt eine Prognose für die Zukunft.
Es gibt viele verschiedene Definitionen des Burnout-Syndroms (Barner, 2012), (Pschyrembel,2007), (Jaggi, 2008). Allerdings berücksichtigen diese bei Weitem nicht alle Aspekte. Daherwurde für diesen Beitrag aus mehreren Definitionen eine Arbeitsdefinition entwickelt. Das Bur-nout-Syndrom wird als die totale physische und geistige Erschöpfung eines Menschen defi-niert, die durch Probleme im Lebensumfeld des Betroffenen ausgelöst wird und sich auf dieLeistungsfähigkeit auswirkt. Die Betroffenen plagt häufig das Gefühl von Enttäuschung undinnerer Frustration bis hin zum Verlust von emotionaler Lebendigkeit sowie des Selbstwertge-fühls. Infolgedessen korreliert das Burnout-Syndrom sehr stark mit Depressionen und anderenpsychosomatischen Erkrankungen. Das Arbeitsumfeld darf dabei nicht als einziger Auslöser inBetracht gezogen werden; gerade Missstände im Privatleben und andere Indikatoren wie feh-lende Anerkennung und Ängste tragen zu dem Syndrom bei. Als Berufskrankheit wird Burnoutnach der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) nicht anerkannt (Graubner,2010); meist wird es vom behandelnden Arzt wie eine Depression behandelt. Die Frage ist aber,ob die Depression eine Folge, eine Ausprägung oder Burnout selbst ist.
Generell ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter in leitenden Positionen wie Projektleiter einengrößeren Workload und damit mehr Druck verspüren, was sehr schnell in Stress umschlagenkann. Zusammen mit fehlender Anerkennung stellen diese Faktoren die größten Treiber fürBurnout da. Jedoch ist es so, dass gerade diese Personen oftmals mehr Möglichkeiten als ein-fache Mitarbeiter wie z. B. Sachbearbeiter haben, diesem Stress durch flexiblere Arbeitszeiten,Delegationsmöglichkeiten oder Assistenten zu entgehen. Wird die Arbeit nach unten delegiert,lastet sie somit auf den einfachen Mitarbeitern, die die Möglichkeit der Delegation nicht haben.Somit besteht eine höhere Gefahr, an Burnout zu erkranken. Oftmals bleibt auch die Anerken-nung für die geleistete Arbeit bei den Führungskräften hängen und wird nicht an die Personenweitergegeben, die die eigentliche Arbeit geleistet haben.
Tritt in einem Unternehmen ein Fall von Burnout auf, hat dies Auswirkungen auf das un-mittelbare Arbeitsumfeld des Betroffenen. Kollegen müssen sich einstellen. Auch nach derGenesung ist der Mitarbeiter unter Umständen nur beschränkt arbeitsfähig. Dadurch würdesich, wenn Termine in einem Projekt eingehalten werden müssen, der Workload auf die ver-bleibenden Mitarbeiter spürbar erhöhen, was bei jenen Mitarbeitern wiederum zu einemBurnout führen könnte – es ergibt sich also ein Teufelskreis. Dies sollte durch die Führungs-ebene wie Projekt- oder Abteilungsleiter verhindert werden, wodurch diese auch direkt beiAuftreten eines Burnout-Falls involviert sind.Auch der richtige Umgang mit erkrankten Mitarbeitern ist zu beachten. Aus der Sicht vonPsychologen ist es völlig falsch, den Mitarbeiter mit seiner Krankheit alleine zulassen. Geradenahestehende Kollegen sollten auf den Betroffenen zugehen und ihn aktiv befragen, wie er be-handelt werden möchte. Soziale Beziehungen sind ein wichtiger Bestandteil, um Burnout vorzu-beugen, aber auch in einem schon aufgetretenen Fall den Betroffenen zu stützen. Jedoch ist auchder Fall zu betrachten, dass die Erkrankten ihre Diagnose ausnutzen, um mit diesem Argumentdie anfallenden Arbeiten an die Kollegen abtreten zu können. Auch hier ist es Aufgabe der Füh-rungskräfte, steuernd einzugreifen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Nicht nur der „Ausgebrannte“ leidet, sondern auch das Unternehmen und somit die Wirt-schaft. Gerade die betroffenen Personen sind meist ehrgeizige Leistungsträger, die sich einenhohen Stellenwert erarbeitet haben. Nur ungern geben sie zu, dass ihre Leistungsfähigkeitnachlässt. Daraus resultierten eine sinkende Effizienz, die sich zeitlich bis zur Krankschrei-bung erstreckt, und dadurch indirekte Kosten für das Unternehmen. Nicht selten sind esProjektleiter, die unter Burnout leiden, da sie sich in einer Schnittstellenfunktion befinden,bei der von den Ebenen sowohl unter als auch über ihnen viel abverlangt wird. Dies resul-tiert darin, dass die Projektkosten in die Höhe steigen oder Kunden unter Umständen auchdurch zeitliche Verzögerungen abspringen und Aufträge in Millionenhöhe storniert werden.Eine derartige Funktion neu zu besetzen, ist schwierig und bringt hohe Kosten, wie z. B. fürSchulungsmaßnahmen und Einarbeitungsphasen, mit sich. Aber es fallen auch weitere in-direkte Kosten an, denn laut der Weltgesundheitsorganisation WHO kostet ein Burnout-Fallim Durchschnitt 30,4 Krankheitstage (Ballwieser, 2012).
Die persönlichen und betrieblichen Konsequenzen betreffen auch die Gesellschaft. Im Jahr2009 haben die Betriebskrankenkassen eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dassdurch psychische Belastungen am Arbeitsplatz ein volkswirtschaftlicher Schaden in Höhe von6,3 Milliarden Euro entstanden ist (Wenzel, 2012). Ausgehend von den Erhebungen verschie-dener Krankenkassen sowie Meinungsforschungsinstituten hat sich die Anzahl der von Burn-out verursachten Krankheitstage zwischen 2004 und 2009 fast verzehnfacht. Waren es 2004noch durchschnittlich zehn Krankheitstage pro Tausend Versicherte, waren es 2009 schon98. Dabei spielen vor allem zwei Faktoren eine Rolle: Zum einen wird von Ärzten zuneh-mend die Zusatzcodierung für Burnout (ICD-10) bei diagnostizierten psychischen Störungenverwendet, zum anderen ist der Anstieg auch auf gestiegene Arbeitsbelastung bzw. durchgeänderte Arbeitsbelastungen zurückzuführen. Sehr auffällig ist zudem der Unterschiedzwischen Frauen (2009: 63 Krankheitstage pro 1.000 Versicherte) und Männern (2009: 35Krankheitstage pro 1.000 Versicherte), (Ballwieser, 2012). Dies kann damit begründet wer-den, dass Frauen im Allgemeinen eher über emotionale Probleme reden als Männer.
Bei Betrachtung der betriebs- und volkswirtschaftlichen Konsequenzen ist zu berücksichti-gen, dass es nicht nur die „Ausgebrannten“ oder die Unternehmen betrifft, sondern jeden.Die Behandlung der Burnout-Fälle wird finanziell letztlich durch den Beitragszahler getra-gen. Ohne auf mögliche Verluste zu achten, orientiert sich die Gesellschaft vollkommen aufLeistung. Die Lebensqualität bleibt auf der Strecke, soziale Kontakte werden vernachlässigt,Familien brechen auseinander. Um auf der Karriereleiter aufzusteigen, werden Ellenbogeneingesetzt; ein ewiger Kampf um den Arbeitsplatz und damit verbundene Ängste beginnt.Die Ursache ist Leistungsorientierung mit dem Ziel der Gewinnmaximierung. Doch die Maxi-mierung des Gewinns scheitert durch die entstehenden Kosten der wegfallenden Leistungs-träger. An dieser Stelle kann nur an die Vernunft der Verantwortlichen appelliert werden,sich mit der Thematik Burnout zu beschäftigen und Ansätze zu finden, die arbeitende Be-völkerung davor zu schützen.
Um Burnout vorzubeugen Bedarf es keinen großen Aufwand. Schulungen für Führungs-kräfte zur Sensibilisierung im Umgang mit Burnout und das Schenken von Aufmerksam-keiten sowie Anerkennung sind wichtige Faktoren, die einen hohen positiven Einfluss aufdas Wohlbefinden der Arbeitnehmer nehmen kann. Dennoch liegt die Arbeit nicht nurbeim Arbeitgeber, sondern auch bei den Arbeitnehmern: Auch diese sollten sich mit derThematik auseinandersetzen, einen Ausgleich zur Arbeit suchen sowie Prioritäten setzenund sich Auszeiten gönnen. Gerade in Stresssituationen ist ein effektives Zeitmanage-ment wichtig.Durch die Analysen von Statistiken und Experteninterviews zeigt sich, dass Burnout einimmer größeres Problem in der Arbeitswelt wird und großen wirtschaftlichen Schaden an-richtet. Dadurch lohnt es sich für Unternehmen, Präventiv- und Reintegrationsmaßnahmenanzubieten. Daneben ist auch der soziale Faktor wie Anerkennung (Stichwort „RessourceMensch“) in Unternehmen nicht zu vernachlässigen. Die Auswirkungen von Burnout hatneben den direkten Kollegen, den Vorgesetzten sowie dem ganzen Unternehmen letztlichdie ganze Gesellschaft zu tragen, da der wirtschaftliche Schaden nicht nur im Unternehmenentsteht, sondern durch steigende Ausgaben der Krankenkassen usw. letztendlich auf alleverteilt wird.Auch in der Zukunft wird das Thema Burnout an Relevanz zunehmen. Dies zeigenalleine schon die steigenden Zahlen der Krankheitsfälle und -tage. Jedoch wird sich dieMenschheit irgendwann an die heutigen Arbeitsanforderungen und auf die unterschied-lichen Informationen sowie Informationsquellen einstellen und lernen, damit umzugehen.Dies geschah auch im Verlauf der Industrialisierung, in der sich die Menschen zu Beginnkaum vor gefährlichen Stoffen oder physischen Gefahren am Arbeitsplatz schützen konn-ten. Mit der Zeit wurden immer bessere Wege gefunden, Gefahren und Krankheiten zuvermeiden, so dass es heute nur noch eine geringe Anzahl von Verletzungen oder gar Todes-fällen durch Arbeitsunfälle gibt. Dass das Thema immer ernster genommen wird, sieht manauch an Statistiken, die belegen, dass immer mehr Unternehmen aktiv Gegenmaßnahmenergreifen. Somit lässt sich abschließend sagen, dass Burnout nicht als „Trend-Krankheit“,sondern immer mehr als ernst zu nehmendes Problem wahrgenommen wird.
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Dominik Erik OttoSupport Engineer bei der PMCS.helpLine Software Gruppe in Bad Camberg. Studiert berufsbegleitend Wirtschaftsinformatik an der FH Mainz.
Philipp SchumacherSystementwickler bei der R+V Versicherung in Wiesbaden. Studiert berufsbegleitend Wirtschaftsinformatik an der FH Mainz.